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im deutschsprachigen Raum
H. 2 Muharram 1441 | No: 1441/01 |
M. Montag, 02 September 2019 |
Stellungnahme zu der von der ÖVP geplanten Ausweitung des Kopftuchverbots an österreichischen Schulen
Nachdem am 15.05.2019 der österreichische Nationalrat ein Kopftuchverbot an Volksschulen beschloss, plant die ÖVP nun eine Ausdehnung des Verbots auf die Unterstufe. Damit wäre es Schülerinnen bis zum 14. Lebensjahr untersagt, mit einem Kopftuch am Unterrichtsgeschehen teilzunehmen. Ex-Kultusminister Gernot Blümel (ÖVP) verwies auf die Religionsmündigkeit, die erst im 14. Lebensjahr einsetze und sprach von einer sensiblen Phase zwischen 10 und 14 Jahren, in der es die Mädchen zu schützen gelte. Ebenso sollen Lehrerinnen künftig nicht mit der islamischen Kopfbedeckung ihrer Tätigkeit nachgehen dürfen: „Sie untergraben implizit die Neutralität des Staates und propagieren ein Gesellschaftssystem, in dem die Frau nicht dieselbe Stellung hat wie in unserer westlich, aufgeklärten Gesellschaft.“ Lehrerinnen mit Kopftuch hätten das Potenzial die Schüler „politisch zu beeinflussen, deshalb setzen wir uns dafür ein, dass in der Schule ein moderner und westlicher Islam gelehrt wird“, so Blümel.
Die ÖVP setzt in ihrem Wahlkampf offensichtlich auf ein etabliertes Feindbild und verdichtet eine Narration, in der das Kopftuch ein Identifikationsmerkmal bzw. Instrumentarium des politischen Islam darstellt. Die kopftuchtragende Frau ist in dieser dichotomen Erzählung entweder eine destruktive politische Akteurin, die aktiv gegen die Wertvorstellungen der Mehrheitsgesellschaft agitiert oder sie ist das Opfer eines archaischen Systems, das visuell kodifiziert die Frauen abwertet. Dass die islamische Kopfbedeckung in dieser Weise unwidersprochen von Politkern problematisiert und rezipiert werden kann, ist das Ergebnis jahrzehntelanger Feindbildkonstruktion. Innerhalb dieses Rahmens werden inzwischen sämtliche Handlungen des islamischen Lebens als feindselig und aggressiv wahrgenommen.
Die Feindbildkonstruktion erfüllt dabei keinen Selbstzweck, sondern ist zwingende Voraussetzung für die Integrationspolitik, die besonders stark im Kontext der islamischen Minderheit in Europa diskutiert wird. Die Integration ist demnach kein abgestimmter Leitfaden, der die Bedürfnisse von Individuen oder sozialen Gruppen adaptiv berücksichtigt, sondern eine Doktrin - lanciert, um im Speziellen die Denk- und Handlungsweise der Muslime zu säkularisieren. Immanente Bestandteile der Integrationspolitik sind die Markierung des Anderen, seine Abwertung und die Selbstüberhöhung der eigenen Kultur und Identität. Besondere Sprengkraft entwickelt sie durch die Annahme, dass die Existenz anderer Weltanschauungen das eigene Fortbestehen bedroht. Der in Erscheinung tretende Vernichtungswille gründet in der vermeintlichen Existenzfrage des eigenen Überlebens, die zugleich als Legitimationsbasis für sämtliche Maßnahmen fungiert. Auf diese Weise erscheinen selbst massive Eingriffe in das weltanschaulich-religiöse Selbstverständnis von Minderheiten verhältnismäßig. Blümels moderner und westlicher Islam ist Ausdruck dieser Übergriffigkeit, die auf die Zerstörung der islamischen Identität abzielt. Durch säkulare Deutungsrahmen soll der Zugang zum islamischen Überzeugungsfundament und zur islamischen Epistemologie verschlossen und die muslimische Gemeinschaft weltanschaulich entwurzelt werden.
Geleitet von irrationalen Abwehrreflexen verstricken sich Integrationsbefürworter in immer widersinnigere Argumentationslinien. So behauptet Blümel, dass kopftuchtragende Lehrerinnen die Neutralität des Staates untergraben, nur, um im gleichen Atemzug die Einführung eines eurozentrisch geprägten Islamunterrichts zu fordern. Auf diese Weise entpuppt sich der „neutrale“ Staat – dem per Definition die weltanschauliche Selbstverortung und Fremdbewertung untersagt ist – als ideologisch motivierter Akteur, der keine divergierenden Überzeugungen und Lebensentwürfe toleriert. Um diese bereits im Keim zu ersticken, sollen Integrations- bzw. Assimilationsmaßnahmen möglichst früh greifen, damit die Identitätsbildung muslimischer Kinder in den staatlichen Wirkungsbereich verlegt und nach eigener Vorstellung gestaltet werden kann. Vor diesem Hintergrund ist der Vorstoß der ÖVP, das Kopftuchverbot an Schulen auszuweiten, als weiterer Frontalangriff auf die Integrität der muslimischen Gemeinschaft zu begreifen. Dass eine solche Politik der Konfrontation den sozialen Frieden nachhaltig beschädigt, scheint den Verantwortlichen angesichts ihres eingeschlagenen Kollisionskurses völlig gleichgültig zu sein. Ihre Politik zielt nicht auf die sachgerechte Betreuung der Angelegenheiten ihrer Bürger ab, was im Grunde ihre eigentliche Aufgabe wäre, denn die tatsächlichen Probleme im Lande, unter denen die Menschen zu leiden haben, gehen sie nicht an. Zudem fehlt es den von ihnen erlassenen Gesetzen an gestalterischer Wirkung, die der Rechtswirklichkeit einer komplexen Gesellschaft gerecht würde.
Hizb-ut-Tahrir warnt deshalb eindringlich vor einem anstehenden Kulturkampf, der die gesamte Gesellschaft in den Abgrund zu reißen droht. Der auf einen Ethnozid ausgerichtete Charakter der gegenwärtigen Integrationspolitik bedroht unmittelbar das islamische Leben in Österreich und Europa insgesamt. Die Islamische Gemeinschaft steht nunmehr in der Pflicht, diese gefährliche Entwicklung aufzuhalten, indem sie ihre Kräfte bündelt und sich in aller Entschlossenheit gegen sämtliche Maßnahmen stellt, die auf die Vernichtung der islamischen Identität abzielen. Durch eine solche Haltung wird sie ihrer Bestimmung gerecht, die in der Verkündung der Wahrheit und der Abwendung des Unheils besteht.
So sagt der Erhabene:
﴿كُنْتُمْ خَيْرَ أُمَّةٍ أُخْرِجَتْ لِلنَّاسِ تَأْمُرُونَ بِالْمَعْرُوفِ وَتَنْهَوْنَ عَنِ الْمُنْكَرِ وَتُؤْمِنُونَ بِاللَّهِ﴾
„Ihr seid die beste Gemeinschaft, die je den Menschen hervorgebracht wurde: Ihr gebietet das Rechte und verbietet das Unrecht und glaubt an Allah.“ [3:110]
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