Dienstag, 03 Jumada al-awwal 1446 | 05/11/2024
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بسم الله الرحمن الرحيم

Im Namen Allahs des Erbarmungsvollen des Barmherzigen

Zum zehnten Jahrestag der Revolution (3)

Wie das Mubarak-Regime restauriert wurde

Wir wollen in Kurzfassung den Verlauf der Ereignisse anführen, beginnend am 25. Januar 2011 bis zur Gegenwart, um zu veranschaulichen, wie das Mubarak-Regime eine Neuauflage erfuhr. Denn trotz der Entmachtung und Beseitigung Mubaraks lebte sein Regime weiter. Es war nicht gestürzt. Was passierte, war, dass das Regime wieder in Betrieb genommen wurde, wobei lediglich einige Gesichter ausgewechselt wurden:

1. Die Menschen in Ägypten waren gegen Mubaraks Regime auf die Straße gegangen. Aus islamrechtlicher Sicht und von der Vernunft her wäre es die Pflicht der politisch-islamischen Akteure Ägyptens gewesen, dieses plötzliche Aufbegehren zu nutzen und sich für die Implementierung der Gesetzgebung Allahs zu engagieren und dies auch als Forderung zu aufstellen. Sie hätten zum Aufbau eines wahren islamischen Staates aufrufen müssen, der das komplette alte Regime, das die Ursache allen Übels war, aus dem Land fegen würde. Denn das Regime fungiert als Barriere zwischen den Muslimen und einer Implementierung des Islam in einem Kalifatsstaat. Doch die islamischen Akteure haben - zum allergrößten Bedauern - die öffentliche Meinung, die auf dem Islam wurzelt, nicht genutzt. Sie haben darauf aufbauend keine Aktionen gesetzt, keine Forderungen nach einer auf dem Islam basierenden Herrschaft und der Errichtung eines Kalifatsstaates gestellt, unter dem die Muslime vereint würden. Hätten die islamischen Kräfte das getan, die Menschen hätten sich hinter sie gestellt und sie in ihren Forderungen bestärkt. Schließlich lieben die Menschen den Islam und sind seinetwillen bereit, Opfer zu bringen.

2. Die USA waren zu der Auffassung gelangt, dass man Mubarak loswerden müsste, um die revoltierende Straße zu besänftigen, wo die Liebe zum Islam groß ist und die Rufe nach ihm laut wurden. Das Regime jedoch sollte samt seiner Institutionen, Medien und alten Eliten bleiben. Mit List und Tücke hielten die Amerikaner das vermoderte Regime und das politische Establishment aufrecht. Danach machten sie sich aufs Neue daran, die Menschen in Ägypten zu täuschen. Man gaukelte ihnen zunächst vor, die Armeeführung in Ägypten würde die Revolution und die Revolutionäre in ihre Arme nehmen. Dabei behielten die Amerikaner das Militär, repränsentiert durch die Militärführer, für spätere Missionen in der Hinterhand.

3. Die Führungsspitze des ägyptischen Militärs wachte nach Mubaraks Absetzung darüber, dass im eigenen Hauses alles in ihrem Sinne geordnet wird. Die Führung akzeptierte den direkten Eintritt der Muslimbrüder in das System der demokratischen Ordnung, nachdem sie erkannte, dass die Menschen den Islam wollten und nach ihm riefen. Das Ziel der Armeeführung – respektive der USA –, die Muslimbrüder an dem vermeintlichen Wandel in Ägypten teilhaben zu lassen, bestand darin, einen tatsächlichen Wandel zu verhindern und die Massen ruhigzustellen. Dabei war den Amerikanern bewusst, dass eine Regierung, die von „Islamisten“ gebildet wird, die die Gesetzgebung Allahs zur Seite schieben und mit dem menschengemachten System einverstanden sind, früher oder später scheitern würde, wodurch sich die Menschen vom Islam und von den Trägern der Dawa abwenden würden. Ihnen wäre dann vor Augen geführt worden, dass die „Islamisten“ einer Staats- und Regierungsführung nicht gewachsen seien. Bedauerlicherweise sind die Muslimbrüder sehenden Auges in diese Falle getappt und waren damit einverstanden, die Hinterlassenschaften des alten Regimes mit den verschiedenen Seiten zu teilen: mit den alten Hütern des Mubarak-Regimes, mit den säkularen Parteien und mit dem mit Militär, das starke Verbindung zu Amerika hat. Und das war ein Fehler, sowohl in der Vorgehensweise und in der Methode als auch im Handeln. Dafür mssten sie später einen hohen Preis zahlen.

4. Im Rahmen dieser illegitimen Ehe, die unter Führung der Muslimbrüder zwischen den politisch-säkularen Kräften und den islamisch ausgerichteten Akteuren geschlossen und auf der exekutiven, der legislativen und der judikativen Ebene geführt wurde, waren die Muslimbrüder bedacht darauf, sich außerordentlich flexibel zu zeigen und Dinge zu akzeptieren, die islamisch inakzeptabel sind. Ihr Handeln baut auf der Idee des tadarruǧ auf, die sie vertreten, der Idee von einer schrittweisen Implementierung des Islam, die jedoch von Allah nirgendwo in der Offenbarung erwähnt wird. Sie zeigten sich flexibel, um ihre Teilhaber an der Macht zufriedenzustellen und um nach außen einen toleranten und moderaten Islam zu präsentieren! Zudem sollte der Westen keinen negativen Eindruck von den „gemäßigten Islamisten“ erhalten und sich aufgrunddessen gegen sie wenden! Und so war es zu keinerlei Veränderung gekommen. Die Verfassung Ägyptens blieb eine säkulare, menschengemachte Verfassung. Sie wurde nur überarbeitet und modifiziert, mit dem Segen der Muslimbrüder selbst….Die Judikative blieb in Händen säkularer Richter, die mehrheitlich dem alten Regime und dessen Eliten gegenüber loyal blieben. Was die Bildung in Ägypten betraf, folgte man weiterhin den Lehrplänen, die noch dem britischen Kolonialismus entstammten. Die Medien in Ägypten unterstanden weiterhin korrupten Geschäftsmännern, die von einer Rückkehr zur alten Ordnung träumten. Die politischen und wirtschaftlichen Abkommen Ägyptens, sogar die, die mit den jüdischen Feinden des Islam geschlossen wurden, behielten ihre Gültigkeit und blieben unangetastet, noch stärker als zuvor. Die politische Szenerie in Ägypten war eine Schmerzliche. Man bewegte sich zwischen Moschee und Bar, zwischen Nachtclub und Koranschule, zwischen Hotels mit Alkoholausschank und Geschlechtermischung und Hotels, in denen Alkohol und Geschlechtermischung verboten waren, zwischen Medien, die Tag und Nacht Sündhaftes verbreiteten und Medienanstalten, in denen über Gebetswaschung und Moral geredet wurde, zwischen einem Präsidenten, der einen Bart trug und Polizisten, denen laut säkularer Verfassung, das Barttragen verboten wurde, dazu Programme, in denen man sich über den Islam, den Präsidenten und die islamischen Gelehrten und Prediger lustig machte... Es war ein Staat der Absurditäten! Sollte das etwa der herbeigesehnte Wandel in Ägypten sein?! Hätte ein Mubarak akzeptiert, dass man über ihn und sein säkulares Regime spottet?! Hätte ein Mubarak darauf Wert gelegt, die Imame und Gelehrten zu empfangen und ihnen zuzurufen „Das Feld ist euch überlassen, so strömt los“, so wie Mursi es den Sängern und Schauspielern zu Beginn seiner Amtszeit verkündete, welche später ihren Jubel und ihre Schadenfreude nicht zurückhalten konnten, nachdem er abgesetzt wurde!? Kurz: Der Zustand hatte sich trotz aller hochgehaltenen, wohlklingenden islamischen Parolen, nicht verändert. Das republikanische System blieb wie es war. Die Verfassung blieb säkular. Die auf Zins und westliche Kredite errichtete und vom Westen kontrollierte Wirtschaft blieb wie sie war. Die militärische Hegemonie der Amerikaner, die das Vasallenregime weiter finanzierte, setzte sich fort. Die internationalen Beziehungen wurden fortgeführt. Die wirtschatlichen und politischen Abkommen mit den Juden blieben weiter gültig. Und das Erdgas floss ungehindert weiter an die Juden. Was hatte sich also geändert? Nichts! Es kamen die „Islamisten“ an die Macht - nicht jedoch der Islam.

5. Mit der Regierungsübernahme Mursis waren nun zwei Gruppen Teilhaber an dieser missgebildeten Herrschaft: Eine säkulare Gruppe, die den Islam bekämpfte und gegen ihn intrigierte. Sie setzte sich aus den korrupten politischen Führern und ihren säkularen Parteien zusammen, die nach dem Verschwinden Mubaraks geblieben waren. Ebenfalls zu dieser Gruppe gehörte die Armeeführung, die bis heute mit Amerika verbandelt ist. Diese Clique ertrug es nicht, den Islam an der Macht zu sehen. Ihr war Präsident Mursi und dessen Leute verhasst und sie ließ keine Niedertracht aus, sie ihnen in den Weg zu stellen. Diese Leute strengten sich an, Mursi und seine Männer vorzuführen und den politischen Islam als unfähig zu präsentieren, einen Staat zu führen, als politisch inkompetent, als reaktionär in den Ideen und Sichtweisen und als faschistisch und ausgrenzend gegenüber Andersdenkenden. Dieser Kreis hatte sich gegen Mursi und seine Leute in allen Bereichen und in allen Facetten der politischer Arbeit verschworen. Sie lauerten ihnen in jeder politischen Angelegenheit auf: in der Exekutiven, in der Judikativen und in der Legislativen..Sie verhöhnten sie und ihren Präsidenten in jeder Veranstaltung, insbesonders in den Medien und zweifelten an deren Kompetenzen. Sie verbreiteten im Land ein Klima der Angst vor dem Islam und den islamischen Bewegungen. So hatte dieser Kreis systematisch und unter den Augen der westlichen Botschaften und mit deren Segen gegen alles agitiert, was islamisch war. Sie verunglimpften den Islam, verzerrten, beleidigten und attackierten ihn. Und das alles geschah, als der Präsident noch am Seil der Freundschaft festhielt, während al-Sisi sein wahres Gesicht zeigte, nachdem das von ihm gestellte berüchtigte Ultimatum ablief. Der Präsident lobte al-Sisi und dessen Gesellen, als er sie als Männer bezeichnete, die „Gold wert“ seien. Er begab sich in den Dienst des „großen patriotischen Projektes“ und rühmte sich damit, niemandem das Schreiben verboten und keinen Sender geschlossen zu haben. Besser, er hätte es getan!

Die zweite Gruppe bestand aus Muhammad Mursi und seinen Leuten, die den kapitalen Fehler darin begingen, die Mitbeteiligung der Säkularisten und der Eliten des alten Regimes an der Macht zuzulassen, sodass er schon eine verunstaltete Regierung übernahm. Er ließ sich auf das politische Spiel ein - gefesselt und unfähig, irgendeine Veränderung herbeizuführen. Vom ersten Tag an legte er den Eid ab mit dem Vokabular eines säkularen Staates, während er zwecks einer Aufrechterhaltung dieses Staates von den alten Eliten und von deren Spießgesellen des vorangegangenen Regime bekämpft wurde. Mit dieser Ausgangslage und während des einen Jahres seiner Regierung, führte er eine Politik, die dem ägyptischen Volk kein alternatives Programm bot und das Volk nicht an die Hand nahm, um sie zum Aufstieg zu führen. Nichts vom Islam hat er implementiert. Er hob sich durch keine nennenswerte Politik von seinen Vorgängern ab. Er bewegte sich in einem Feld voller Minen und Fallen, die ihm von seinen eigenen Regierungspartnern aufgestellt wurden. Das wusste er, ohne jedoch einen Finger zu rühren. Und wenn er ihn bewegte, dann unter Zaudern und Zögern, womit er seine Unzulänglichkeit im Regieren und Leiten offenlegte. Das Problem steckte in der Methodik Mursis und seiner Gruppierung: Sie kennen keinen anderen Weg des Handelns, als der, ihre Gegner – die Gegner des Islam - politisch zu beteiligen!

6. Nachdem ein Jahr der „demokratischen“ Regierungszeit Mursis vergangen war, das ein Jahr der Verzerrungen, der Verflechtungen und der Misserfolge war, fasste das Militär - der eigentliche Eintscheidungsträger - den Entschluss, gegen die vermeintlich legitime demokratische Regierung zu putschen und Mursi zu beseitigen. Mursi und seine Leute wurden der faschistischen Herrschaft beschuldigt. Ihnen wurde vorgeworfen, das Land gekapert und eine theokratische Herrschaft angestrebt zu haben! Sie hätten unter der Bevölkerung Ägyptens Angst verbreitet und den nationalen und religiösen Institutionen geschadet! Sie seien darin gescheitert, Demokraten zu werden! Und so wurde die Führungsspitze der Muslimbruderschaft, die davor noch Teil der Regierung war, in die Gefängnisse geworfen und von ihren einstigen Partnern vor Gericht gezerrt und verurteilt, da sie laut Anklage ihrer Gegner zu Gewalt, Mord und Terror angestachelt hätten! Was die westliche Demokratie betrifft, zu der Dr. Mursi so lange aufgeblickt hatte, sie hatte sich gegen ihn gewandt und ihm und seiner „gemäßigten“ Gruppierung einen Dolch in den Rücken gestoßen, sich also nicht vor ihn gestellt, um seine demokratische „Legitimität“ zu verteidigen!

So hat das Militär im Einvernehmen und in Kooperation mit den Amerikanern Muhammad Mursi ausgeschaltet, da er sich als unfähig erwies, für Stabilität nach Wünschen der USA zu sorgen. Also wurde wieder das Mubarak-Regime in Betrieb genommen. Die Muslimbrüder riefen ihre Anhänger auf, auf die Straße zu gehen, zu demonstrieren und die Rückkehr Mursis als Staatsoberhaupt zu fordern. Das Militär begann daraufhin, Demonstranten zu töten, sie und deren Anführer zu verfolgen und deren Gelder zu konfiszieren, als Strafe dafür, das Militär herausgefordert zu haben. Mursi wurde festgenommen und wegen absurder Anschuldigunge vor Gericht gestellt und verurteilt. Danach wollte man sich seiner entledigen, indem man ihn langsam und systematisch sterben ließ, damit das Regime ihn und seine demokratische Legitimität endgültig los ist.

So gelang es den USA, der Revolution in Ägypten ein Ende zu setzen und sie von ihrem eigentlichen Weg und Ziel, das Regime zu stürzen, abzubringen. Der Wille der USA hatte sich durchgesetzt und sie haben ihren alten Abfall recycelt, sodass ein Regime reproduziert wurde, das noch härter, brutaler und verräterischer ist, als seine Vorgänger und einen noch loyaleren Vasallen kreiert. Die USA übergaben die Zügel der Macht an das Militär unter der Führung des alten Verteidigungsministers von Muhammad Mursi.

Geschrieben für das zentrale Medienbüro von Hizb-ut-Tahrir
Von Hamid Abdulaziz
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