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بسم الله الرحمن الرحيم
Wie Erdogan in die Dienste Amerikas geriet
von Ing. Shafiq Khamis
Den USA war sehr wohl bewusst, wer aus dem Spektrum islamischer Bewegungen unmöglich eine Präsenz der USA in den eigenen Ländern akzeptieren und eine einflussreiche Rolle der USA hinnehmen würde. In diesem Fall achten die USA sehr sorgfältig darauf, dass solche Bewegungen nicht an die Schaltzentralen der Macht gelangen. Diese würden der Präsenz der USA nicht nur im engeren Umfeld, also in den eigenen Ländern, ein Ende bereiten, sondern in der gesamten islamischen Welt. Mit Anderen war hingegen eine Zusammenarbeit sehr wohl möglich, sie also an die Hand zu nehmen und an die Macht zu bringen - und sie in das Spiel der Demokratie zu verstricken. „Das Interesse der USA ist es, alle religiös motivierten Parteien und politischen Führer, dazu zu bringen, die Demokratie als Ganzes zu adoptieren und sich von Gewalt abzuwenden.“
In die Türkei wollten die USA über den Weg der islamischen Bewegungen vordringen, die sich auf Treffen mit amerikanischen Politikern einließen, ohne sich der verhängnisvollen Konsequenzen solcher zweifelhaften Treffen bewusst zu sein. Sie dienten den USA dazu, Zulass zu finden. Die tiefgehende, dreiste und autoritäre Art der Amerikaner, die es ihnen ermöglicht, ihre Politik und ihre Ziele durchzusetzen, ließ Erdogan in ihre Fänge geraten, der der Meinung ist, dass „ununterbrochener Kontakt und Dialog die beiden Wege sind, die zu Frieden und Ausgleich führen.“ So ließ er sich wiederholt auf längere Treffen mit amerikanischen Politikern ein, die es den USA möglich machten, in der Türkei Fuß zu fassen. Hillary Clinton lernte Erdogan in den Neunziger Jahren kennen, noch bevor sie Außenministerin wurde und er noch Bürgermeister von Istanbul war. Über ihn sagte sie: „Er schien ein ehrgeiziger, starker, loyaler und tatkräftiger Politiker zu sein.“
Die wiederholten Treffen Erdogans mit den Amerikanern mündeten darin, dass er unterstützt wurde, 2002 die Parlamentswahlen zu gewinnen. Viele Stunden verbrachte er bei Vieraugengesprächen mit Hillary Clinton. Ein weiterer Anwesender war Davutoglu, Universitätsprofessor und Dolmetscher und späterer Außenminister Erdogans. Diese Treffen führten dazu, dass man sich in den Sichtweisen annäherte und die Treffen sich zu einem „ertragreichen undfreundschaftlichen Arbeitsverhältnis“ entwickelten. Nach der Ernennung Hillary Clintons zur Außenministerin der Vereinigten Staaten, besuchte sie Europa und im Zuge dessen auch Erdogan, Gül und weitere hohe türkische Offizielle. Es war ihr möglich, in den türkischen Medien aufzutreten und in die populäre Fernsehsendung „Komm und schließe dich uns an“ zu kommen. Ziel war es, „Einfluss auf Positionen zu nehmen, mit der sie in ihrer Rolle den Regierungen größere politische Rückendeckung gibt, um zusammenzuarbeiten.“
Die Amerikaner stellten für Erdogan einen Fahrplan für seine Partei auf, damit er die folgenden Wahlen gewinnt. Erdogans Eingangstor sollte die Wirtschaft sein. Dazu wurde die Vorgänger-Regierung zu Fall gebracht und eine Reihe von Maßnahmen von ihm durchgeführt, die Amerikas Griff in der Türkei festigen sollten. Die gefürchtete Autorität des Militärs, wurde eingedämmt und der Wahlkampf der Erdogan-Partei wurde mit Lob überschüttet. So beschrieb Stephen Kinzer Erdogan als jemand, „der eine Genialität in der Organisation an den Tag legte. Es war eine neue, politische Kampagne auf der Ebene der Basis; eine Sache, die von keiner laizistischen Partei je in der Türkei so durchgeführt wurde.“ Er verfolge die Aktionen der AKP, bei denen die Frauen vom Beginn des Wahlkampfes bis zur Verwirklichung des überwältigenden Wahlsieges eine hervorstechende Rolle spielten. Erdogan und seinen Gefährten bescheinigte er „fromme Islamisten“, zu sein.
Nach seinem Sieg verwandelte Erdogan den Nationalen Sicherheitsrat der Türkei, der stets wie ein Schwert auf die Regierungschefs der Türkei gerichtet war und der sich aus Armeekommandeuren zusammensetzte, zu einem von Zivilisten geleiteten Rat mit beratender Funktion. Daneben gab es weitere Maßnahmen, die von den eigentlichen Absichten, die man hegte, nämlich den britischen Einfluss in der Türkei auszumerzen, ablenken sollten. Zu diesen Maßnahmen gehörte die Abschaffung der Todesstrafe, die Modifizierung von Gesetzen, die die Menschenrechte betrafen und die Aufhebung repressiver Gesetze. In Wahrheit jedoch, zielten die Aktionen Erdogans darauf ab, die Generäle der Armee zu entmachten. „Seine Regierung ging hart gegen die militärischen Befehlshaber vor, nachdem von einem angeblichen Putsch die Rede war. Sie wies die Macht des Militärs so weit in die Schranken, wie es keine zivile Regierung je zuvor getan hat.“ Was den letzten Putschversuch von 2016 anbelangt, so war es die Gelegenheit für Erdogan, die Großbritannien-treuen Militärs in der Türkei loszuwerden und - so weit wie möglich - durch Männer Amerikas zu ersetzen. Dieser Prozess hält bis heute an.
Die Türkei stieg zu einer Regionalmacht auf. Folglich hatte sie die Rolle zu erfüllen, mit der sie von den Amerikanern betraut wurde. Erdogan hat zahlreiche Erfolge zugunsten der amerikanischen Außenpolitik erzielen können. Er nahm - ohne den geringsten Widerstand - die Rolle an, die die USA ihm zugewiesen hat oder die von ihm gefordert wurde.
Als die USA 2003 den Irak besetzten und sie die Menschen mit ihrer „Demokratie“ davon ablenkten, Widerstand zu leisten, jubelten ihnen ihre Getreuen aus dem Irak zu, die ihnen bei der Besetzung ihres eigenen Landes behilflich waren und hießen sie willkommen. Damit das Spiel der „Demokratie“ jedoch komplett ist, müssen alle Seiten mitspielen. Amerika konnte dies allerdings nicht selbst bewerkstelligen und sie überzeugen. „Als die Sunniten des Irak beschlossen, die nationalen Wahlen zu boykottieren, war es die Türkei, die sie davon überzeugte, ihre Meinung zu ändern und an den Wahlen teilzunehmen.“ Und so hat die Türkei das geleistet, wozu die USA nicht imstande waren.
Niemand hat sich vorstellen können, dass Shimon Peres 2007 vor dem türkischen Parlament stehen und zu den Abgeordneten auf Hebräisch sprechen würde. „Die Türkei stellt eine Konsolidierung des Vertrauens dar (…) Und ich bin hierhergekommen, um diese Wertschätzung für die Türkei zum Ausdruck zu bringen“, erklärte er in seiner Rede.
Die USA starteten 1978 die Verhandlungen von Camp David zwischen Ägypten und dem Zionistenstaat und 1991 die Madrider Verhandlungen zwischen dem zionistischen Usurpator Palästinas und der PLO. Dann folgte 1994 das Abkommen von Wadi Araba zwischen dem Zionistenstaat und Jordanien. Übrig blieben noch die Verhandlungen zwischen Syrien und dem Zionistenstaat. Doch diese stockten und brachen ganz ab. „Und als ‚Israel‘ beginnen wollte, geheime Gespräche mit Syrien zu führen, bat es die Türkei darum, dies einzufädeln.“ Die USA erwarten von Erdogan, diese Rolle fortzusetzen, damit Gespräche zwischen dem Zionistenstaat und der Hamas zustandekommen.
Die USA und eine Reihe weiterer westlicher Staaten begannen, den Kampf gegen den Islam unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung zu führen, um die Muslime von ihrer Lebensordnung zu entfernen und damit zu beginnen, einen alternativen Islam zu propagieren, so wie er von Allah nicht herabgesandt wurde. Dafür benötigten die USA die Regime aus der islamischen Welt, die sich unter der Kriegsflagge der USA scharen sollten. Ohne Zögern ließ sich Erdogan auf diese Unternehmung ein. „Die Türkei bewies während der vier Jahre, in denen ich Außenministerin war, dass sie ein wichtiger Partner ist (…).“ In unmissverständlichen Worten sagt Clinton weiter: „Wir arbeiteten unter anderem in Afghanistan und Syrien und auch bei der Terrorismusbekämpfung auf zuverlässige Weise zusammen.“
Den hervorstechendsten und widerwärtigsten Job, den Erdogan für die USA erledigt, ist jener in Syrien. Er hat dafür gesorgt, dass sich der US-Vasall Assad, seit 2011 bis jetzt an der Macht halten konnte und dass die von Erdogan abhängige Freie Syrische Armee sich zerstreute. Das bewerkstelligte er durch Militäroffensiven wie „Schutzschild Euphrat“, wodurch das Assad-Regime Aleppo erobern konnte oder wie die Operation „Olivenzweig“, die es dem Regime möglich machte, in Ost-Ghouta einzumarschieren. Und er wird mit seinen Militäroperationen weiter fortfahren – aus Hörigkeit zu seinem Meister.
Erdogan wirbt ganz offen für den Laizismus. Mit dieser Rolle kommt Erdogan dem Wunsch der Amerikaner nach, der darin besteht, dass das Erdogan-Modell von den Islamisten, die an die Macht gelangen, kopiert wird.
Davutoglu war unfähig, die Angelegenheiten der Muslime, wie etwa die Besetzung Palästinas durch die Juden, die Besetzung Tschetscheniens durch die Russen und die Besetzung Afghanistans und des Irak durch die Amerikaner, aus der islamischen Perspektive zu betrachten und nach islamischer Methode zu lösen – wie man es von einem Mann des osmanischen Kalifats erwarten würde. Doch er betrachtete diese Angelegenheiten aus der Warte des internationalen Rechts und bezeichnete sie als Krisen, die „ fürviel Verzweiflung sorgen.“ Die islamischen Völker, von denen er genau wusste, dass sie keinerlei Vertrauen in ihre Regierungen hatten „ eine Lösungfür ihre politischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme zu finden“ und die islamischen Länder, die „nach einem Wunder Ausschau halten, sollten in der Türkei das Wunder sehen, das sie zu sehen benötigen.“ Die islamischen Staaten sollen die Türkei als osmanisches Kalifat betrachten – und das im Gewand der heutigen Türkei und in der jetzigen Realität.
Dass heute kein osmanisches Kalifat existiert, wissen die Menschen in den islamischen Ländern, die über Scharfsinn verfügen und dass das, was die Türkei derzeit tut, keinerlei Bezug zum osmanischen Kalifat hat . „Außerdem wird sie als US-Diener gesehen. Was ihrem Ruf geschadet hat, ist, dass sie große Teile der amerikanischen Politik, die viele Muslime als hassenswert erachten, adoptiert hat.“
Anders verhält es sich mit den regierenden Regimen in den Ländern, wo die USA mit ihrer Befehlsgewalt vordringen wollen und es nur durch das Entsenden der Türken schaffen. „Wo immmer türkische Offizielle in Ländern landen, in der starke Zerstrittenheit herrscht, wie im Libanon, in Pakistan oder in Afghanistan, ist jede Fraktion begierig darauf, mit ihnen Gepräche zu führen.“
Mittlerweile erfüllt die Türkei ihre Rolle, die ihr von Amerika zugeteilt wurde, bravourös. Beim Zuschauer entsteht der Eindruck, die Handlungen der Türkei seien rein türkischen Ursprungs, ohne dass ein anderer seine Finger im Spiel hätte. Doch die Wahrheit sieht ganz anders aus. Die Türkei wurde dazu gedrängt, die nationale Aussöhnung mit den Kurden zu suchen. Das nahm bereits während der Amtszeit Özals seinen Anfang, als dieser öffentlich bekannte, ein halber Kurde zu sein. In der Zeit Erdogans kam es danach zur Aussöhnung mit den Nachbarstaaten, was ihn dazu bewog, sich als Friedensstifter darzustellen. Sein erstes Projekt sah vor, dass sämtliche Differenzen der Türkei mit den Nachbarn beendet werden sollten. Damit hatte er weitgehend Erfolg. Erdogans zweiter Ehrgeiz war jedoch weitaus größer. Dieser war nicht allein mit der „Beendigung der Probleme mit den Nachbarn“ zu stillen, sondern zusätzlich mit der „Beendigung der Probleme unter den Nachbarn.“ Er rechtfertigte es damit, dass jeder Konflikt, der im weiteren Umfeld der Türkei stattfindet, eine Gefahr für den Frieden darstelle und die Chancen für einen regionalen Aufschwung einschränke. Folglich würde all das eine Quelle latenter Sorgen für die Türkei darstellen.
Erdogan führte zwar die Türkei aus den Klauen der Briten heraus, doch wieder hinein in die Klauen der Amerikaner. Was für einen Nutzen hatte das also? Die Türkei hat, ausgehend von der Abschaffung des Kalifats durch Mustafa Kemal und der Gründung der Republik 1924, bis zum Jahr 2002, 78 Jahre ihres Lebens verloren. Und nun sind weitere sechzehn Jahre seit der Kaperung der Türkei durch die USA vergangen. Die Amerikaner machten Propaganda für den wirtschaftlichen Erfolg Erdogans. „Zur gleichen Zeit kam es zu einem Aufschwung der türkischen Wirtschaft. Es war die am schnellsten wachsende Rate, die weltweit verzeichnetwurde.“ Doch nun offenbart sich die Wahrheit darin, dass die Türken mit den schlechten wirtschaftlichen Maßnahmen, die Erdogan vorgenommen hat,„belohnt“ werden, nachdem er mit seiner Partei - wie erwartet - die Wahlen, die um anderthalb Jahre vorgezogen wurden, gewonnen hat. Und es ist offensichtlich geworden, wie gewaltig die Verschuldung der Türkei ist. Erdogans Misserfolg ist somit wirtschaftlich aufgedeckt worden.
Die Muslime in der Türkei lassen sich durch die Spielchen der USA und die ihrer Gefolgsmänner nicht täuschen. Ihnen ist bewusst, dass Erdogan das Kalifat, das einst im Herzen ihres Landes bestanden hat, nicht verhindern wird, was auch immer er im Auftrag jener tut, die hinter ihm die Fäden ziehen. Das Licht des Rechtgeleiteten Kalifats nach der Methode des Prophetentums ist bereits erkennbar und ein Erdogan kann es nicht verdecken.
Quellen:
1. Stephen Kinzer: „Zurück auf Null“, Online-Ausgabe
2. Hillary Clinton: „Schwierige Entscheidungen“, gedruckte Ausgabe